Übergewicht fördert Harninkontinenz
ZurückInterview mit Dr. Wolfgang Bühmann
Vor allem über Harninkontinenz im täglichen Leben wird nicht gerne gesprochen. Der Urologe Dr. Wolfgang Bühmann kennt unter anderem den Grund für das weit verbreitete Schamgefühl.
SANITÄTSHAUS AKTUELL MAGAZIN: Ist Harninkontinenz heilbar?
Bühmann: Wenn Inkontinenz anatomische Ursachen hat, kann man operativ eingreifen. Die sogenannte Altersinkontinenz, die auf Gewebsschwäche beruht, die bei jedem irgendwann einsetzt, kann man nur verbessern. Wir Ärzte können den Alterungsprozess natürlich nicht stoppen.
SANITÄTSHAUS AKTUELL MAGAZIN: Wie kann man vorsorgen?
Bühmann: Da muss man eindeutig sagen: Übergewicht fördert Inkontinenz. Wenn das Körpergewicht den Verschlussdruck des Beckenbodens übermäßig belastet, hat das die gleiche Auswirkung wie der Druck eines ungeborenen Kindes auf den Beckenboden und letztendlich auf die Blase, was zur Inkontinenz während der Schwangerschaft führt.
SANITÄTSHAUS AKTUELL MAGAZIN: Also sollte man darauf achten, das Gewicht zu halten oder, wenn erforderlich, auf ein normales Maß zu reduzieren?
Bühmann: Das ist ein Faktor. Der menschliche Körper ist rein theoretisch auf ein Alter von 40 bis 45 Jahren ausgelegt. Danach wird das Gewebe schwächer. Deshalb spielt auch die Beschaffenheit der Muskulatur eine Rolle. Je straffer diese ist, insbesondere die des Beckenbodens, desto unwahrscheinlicher ist es, dass man mit Altersinkontinenz zu kämpfen hat.
SANITÄTSHAUS AKTUELL MAGAZIN: Warum tun sich viele Menschen schwer, darüber zu reden?
Bühmann: Dass Inkontinenz nach wie vor ein Tabuthema ist, liegt in unserer Erziehung. Als Kleinkind wird man zu Kontinenz verdonnert. Eltern sollen ihre Kinder nicht unter Druck setzen. Es ist sogar normal, wenn Sieben- oder Achtjährige noch nicht trocken sind. Der Körper braucht eine gewisse Zeit, um die Funktion des Harntraktes herzustellen. Aus dieser „falschen Prägung“ entsteht später das Schamgefühl. Was man als Kind lernt, bekommt man nicht mehr weg.
SANITÄTSHAUS AKTUELL MAGAZIN: Wir danken Ihnen für das Gespräch, Dr. Bühmann.
Der Text ist erstmals im SANITÄTSHAUS AKTUELL Magazin – Ausgabe 2/2016 erschienen.
Interview: Michi Jo Standl, Bildquelle: © privat