Ich dachte, das betrifft mich nicht

Klaudia ist 36 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann in Bonn. Die Diagnose Morbus Crohn hielt sie zuerst für einen Irrtum. Doch durch den heftigen Krankheitsverlauf wurde bei ihr irgendwann ein Stoma notwendig. Heute geht es ihr so gut, dass sie wieder voll arbeiten geht.

Also die Diagnose habe ich schon vor 13 Jahren bekommen. Ich hatte davor monatelang Durchfall gehabt, was erst mal nur mit Antibiotika behandelt worden ist. Doch ich hab nur noch im Bett gelegen vor Schmerzen, konnte eigentlich gar nichts mehr machen. Meine Mutter hat mich dann ins Krankenhaus gebracht. Da haben die eine Darmspieglung gemacht und die Diagnose gestellt: Morbus Crohn.

Damit konnte ich erst mal überhaupt nichts anfangen. Du beginnst irgendwann, dich schlau zu machen im Internet, oder du gehst zu Info-Veranstaltungen, wie ich damals bei uns in die Stadthalle zu einer großen Veranstaltung mit Ärzten: Woher kommt das, wie entwickelt sich das, wie kann es behandelt werden? Das war sehr interessant.

Aber ich war noch lange fest davon überzeugt, dass die sich bei mir vertan haben. Denn mir ging es ja nach den vier Wochen im Krankenhaus erst mal wieder gut. Ich habe zwar Medikamente bekommen, doch die hab ich dann irgendwann abgesetzt, selbstständig. Mein Standpunkt war zu dieser Zeit: Wenn es mir gut geht, muss ich ja auch keine Medikamente mehr nehmen. Und das ging danach so zwei, drei Jahre gut. Für mich war es klar: Die haben sich geirrt mit ihrer chronischen Krankheit, das kann nicht sein. Bis dann der nächste Schub der Krankheit kam…

Irgendwann hab ich da den Gastroenterologen gewechselt. Dort wurde ich intensiv betreut – und man hat wirklich mit mir geschimpft: Dass ich regelmäßig Medikamente brauche und auch nehmen muss. Ich bin diesem Rat dann auch gefolgt.

Klaudia lebt heute mit einem Colostoma

Vor zwei Jahren im April bekam ich aber Rückenschmerzen, ich konnte kaum laufen, mir war übel, ich hab nur noch erbrochen und Durchfall gehabt. Damals hatte ich als Küchenplanerin schon drei Jahre immer mit einen befristeten Jahresvertrag bei einem sehr großen Einrichtungsunternehmen gearbeitet. Der wurde jetzt nicht verlängert. Obwohl ich ja zu diesem Zeitpunkt wirklich gar nicht arbeiten konnte, musste ich viel weinen, da mir die Arbeit immer sehr wichtig war und ich sie gerne gemacht habe. Und ich habe in diesen drei Monaten auch dramatisch an Gewicht verloren! Als mein Mann dann in der Küche weinend zusammen gebrochen ist und gesagt hat: „Ich weiß nicht mehr, wie ich dir helfen soll – du musst jetzt ins Krankenhaus! Ich kann das nicht mehr ertragen, wenn ich dich so leiden sehe!“ -da hab ich mich entschlossen: Na gut, dann geh ich halt. Obwohl ja das Krankenhaus ein rotes Tuch für mich war, seit die damals Morbus Crohn diagnostiziert haben. Wie sich herausstellte, hatte ich eine Stenose entwickelt, eine Verengung im Darm, und einen sehr großen Abszess im Bauchraum, der dann zuerst im Rahmen einer Not-OP behandelt werden musste.

Nach Ausheilung der OP-Wunden bin ich wegen der Stenose in die Uniklinik gegangen. Dort haben die Ärzte sehr intensiv mit mir wirklich gute Gespräche geführt: was diese Stenose ist, was sie machen müssen, was mich erwartet – und dass es relativ unwahrscheinlich ist, ein Stoma zu bekommen. Also schiebst du das weg und beschäftigst dich überhaupt nicht damit. Klar, ich hatte schon vom „künstlichen Darmausgang“ gehört, aber das war für mich ’ne Sache, die alte Leute haben und nicht junge Menschen wie ich… Ich dachte, das betrifft mich nicht!

So wurde ich dann wegen der Stenose operiert. Naja, und da bin ich wohl nach der OP wach geworden, hab den Beutel an meinem Bauch entdeckt und hab im Krankenhaus im OP noch den Operateur angeschrien: „Dann hätten Sie mich gleich sterben lassen können!“ – das haben mir hinterher die Krankenschwestern erzählt…

Danach lag ich erst mal so eine Woche auf der Intensivstation, die haben da die großen durchsichtigen Stoma-Beutel, damit sie alles besser kontrollieren können. Als ich danach auf der normalen Station war, kam die Stomatherapeutin und hat mich dann halt auch angelernt, wie ich die Versorgungen wechsle, wie ich mein Stoma säubere und was man an Pflege noch machen kann.

Doch die erste Zeit hab ich mich massiv geweigert, im Krankenhaus dem Wechsel der Stomabeutel zuzugucken. Ich hab das immer die Schwestern machen lassen und hab mir das T-Shirt übern Kopf gezogen, weil ich das nicht mit ansehen wollte. Also, dieser riesen Bauchschnitt von der OP und dann noch der Beutel am Bauch, das ging gar nicht… Da hab ich echt lange gebraucht, bestimmt zwei Wochen… Ich glaube, mein Mann Michael war da auch erst mal geschockt, aber im Nachhinein muss ich sagen, er hat das Stoma besser verarbeitet als ich am Anfang. Ich glaub, er war einfach froh, dass es mir wieder gut ging – also den Umständen entsprechend gut.

Für Klaudia ist die Rückverlegung im Moment kein Thema

In der ersten Zeit nach dem Krankenhaus und der Stomaoperation hatte ich dann vor Michael erst einfach so eine Scheu: Nein, er darf das Stoma nicht sehen. Ich bin immer mit T-Shirt drüber herumgelaufen… Und irgendwann – Michael war da wirklich sehr verständnisvoll und liebevoll und hat mir auch ganz viel Zeit gelassen – haben wir dann halt miteinander geschlafen. Ich hab da schon relativ häufig nachgefühlt, sitzt der Versorgungsbeutel noch richtig, rutscht er nicht ab, ist er auch dicht? Denn das war meine größte Angst, dass mir der Beutel abfällt beim Sex… Heute habe ich davor keine Angst mehr, die Versorgung hat immer gehalten.

Anfangs habe ich auch den Beutelwechsel immer mit Gummihandschuhen gemacht, weil ich mich da noch so geekelt habe. Das mach ich mittlerweile seit ein paar Wochen nicht mehr. Meine Gastroenterologin hat mich jetzt schon gefragt, wenn sie mal neue Stomapatienten hat, ob sie meine Telefonnummer weiter geben darf – weil ich so selbstverständlich mit meinem Stoma umgehen würde. Da hab ich gesagt: „Können sie gerne machen.“

Ich finde, man sollte in der heutigen Zeit einfach die Chance nutzen, sich als Stomaträger gerade übers Internet zu informieren. Das Stoma-Forum dort hat mir damals schon meine Stomatherapeutin im Krankenhaus empfohlen. Sie sagte, ich sollte da mal gucken, dort gäb es ganz viele Leute, denen es ähnlich geht wie mir, mit denen ich mich mal austauschen kann. Und das hat mir dann in der Anfangszeit wirklich viel und gut geholfen. Denn es ist schon ein Unterschied, ob ich mich mit Bekannten oder auch meinem Mann austausche – oder aber mit Leuten, die Ähnliches erlebt haben.

Ich wollte eigentlich schon früher wieder anfangen zu arbeiten, aber meine Ärztin wollte erst, dass ich nach der OP wieder zu Kräften komme. Nach anderthalb Jahren Krankheit bin ich dann auch gleich wieder Vollzeit arbeiten gegangen. Nach wie vor arbeite ich sehr gerne, und ich merke, dass es meinem Selbstbewusstsein auch sehr gut tut. Als ich so lange zu Hause war und es mir langsam wieder besser ging, kam ich mir sehr unnütz vor. Nach der langen Zeit, die ich zu Hause so rumliegen musste, weil es ja leider nicht anders ging, ist es danach ein tolles Gefühl, wieder einen normalen Alltag mit einer Aufgabe zu haben! Ich habe wieder meine alte Stelle. Meine Kollegen haben sich gefreut, dass ich wieder mit an Bord bin. Bis auf die neuen Kollegen wissen alle von meinem Stoma, aber es wird nicht weiter thematisiert.

Als ich einmal auf der Arbeit eine Unterwanderung hatte, fragte mich ein Kollege, warum ich mich umgezogen habe, und ich habe geantwortet: „Frau braucht das einfach ab und an“, und habe frech gegrinst. Das Thema war damit vom Tisch.