Stomaversorgung – Rechtslage und Anspruch
Kostenübernahme durch die gestzliche Krankenkasse
Egal ob einteilige oder zweiteilige Versorgung, Beutel, Platten, Paste, Ringe und sonstiges Zubehör, immer sind es “zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel” auf die ein Anspruch als Sachleistung besteht (§ 33 SGB V).
Sachleistung bedeutet, dass Stomaträger keine Rechnung über die gelieferten Hilfsmittel erhalten. Der so genannte Leistungserbringer, das Sanitätshaus oder HomeCare-Unternehmen (wir bezeichnen ihn als unseren "Versorger"), liefert im Auftrag der Krankenkasse und rechnet auch mit ihr ab. Die benötigten Hilfsmittel werden direkt von der Krankenkasse bezahlt, Stomaträger müssen nur die gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung von 10 Euro im Monat leisten.
Aktuell gibt es zwei Möglichkeiten der Versorgung von Stomaträgern zu Lasten der Krankenkassen
- Fast alle gesetzlichen Krankenkassen haben Pauschalverträge ausgehandelt, bei denen aufgrund von Durchschnittswerten/Durchschnittsmengen ein “Muster-Patient” errechnet wird, dessen Stomaversorgung den Betrag von x EUR pro Monat kostet. Die Monats-Pauschalen sind unterschiedlich hoch, je nach Verhandlungsgeschick der Partner, Anforderungen der Krankenkassen in den Verträgen usw. und liegen im Moment in einer Spanne von ca. 180 - 220 Euro. Die monatliche Pauschale erstattet die Kasse dem Leistungserbringer pro Stomaträger:in.
- Die Auslieferung nach ärztlicher Verordnung und Abrechnung zu Festbeträgen. D.h. jeder Stomabeutel und jede Basisplatte hat einen festgelegten Preis und allen Leistungserbringern wird der gleiche Festpreis erstattet. Vor 2010 war das der übliche Weg, heute ist es eher der Sonderfall.
Die Stomaversorgung ist ein interessanter Markt mit einem Umsatz von vielen hundert Millionen EUR. Deshalb ist er für eine Vielzahl von Anbietern interessant.
Stomatherapeuten sind außerhalb der Kliniken normalerweise Angestellte der Versorger, die den Umsatz ihres Arbeitgebers nicht außer Acht lassen dürfen. Sie sind nur diesem verpflichtet, nicht den Krankenkassen und wenn sie – was hoffentlich oft der Fall ist – ihre Patienten gut beraten, dann ist das für alle von Vorteil.
Mengenempfehlungen und „wirtschaftliche Aufzahlung“
Die tatsächlich benötigte Menge an Stoma-Produkten hängt ebenfalls von der individuellen Situation ab. Die Durchschnittsmengen, die auch den Monats-Pauschalen zu Grunde liegen, wurden im Auftrag der Krankenkassen vom Medizinischen Dienst ermittelt. Damit wurde der Bedarf des “Muster-Patienten” festgestellt, als Grundlage für die Preiskalkulation der Versorger. Für einen höheren Bedarf darf kein Aufschlag verlangt werden. Für einen niedrigeren Bedarf gibt es ja auch keinen Rabatt. Sogenannte “wirtschaftliche Aufzahlungen”, die manchen Stomaträgern:innen von ihrem Versorger für Stoma-Produkte in Rechnung gestellt werden, sind nicht erlaubt.
Mein Hilfsmittel-Wahlrecht
Der Hausarzt stellt eine Hilfsmittel-Verordnung aus (= Rezept), die beim Versorger eingereicht wird. Welche Stoma-Produkte letztendlich geliefert werden, entscheiden Stomaträger:innen und Versorger gemeinsam. Dabei haben Stomaträger:innen einen Anspruch auf eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittel-Versorgung (§12 (1) SGB V) und damit Anspruch auf die Stoma-Produkte, die sie zur individuellen Versorgung tatsächlich benötigen. Dabei können weder Krankenkasse noch Medizinischer Dienst oder Versorger eine spezielle Marke oder ein spezielles Produkt einseitig vorschreiben. Dieser Anspruch auf die individuell ausgesuchte Hilfsmittel-Versorgung wurde vom Bundessozialgericht schon mehrfach bestätigt.
Meine Wahl des Leistungserbringers
Die Versorgung mit Stoma-Produkten ist grundsätzlich nur durch die Vertragspartner der Krankenkassen möglich. Dazu schließen die Krankenkassen Verträge mit HomeCare-Unternehmen und Sanitätrshäusern ab, die dann die Stomaversorgung im Auftrag der Krankenkasse übernehmen.
Krankenkassen sind verpflichtet, Auskunft über ihre Vertragspartner zu geben. Unter den Vertragspartnern können Stomaträger:innen ihren Versorger frei auswählen. Dabei ist es auch kein Problem, wenn keiner der Vertragspartner in direkter Nähe des eigenen Wohnorts beheimatet ist, da die Stoma-Produkte nicht abgeholt werden müssen, sondern nach dem Sachleistungsprinzip frei Haus zu liefern sind.
Was tun bei Problemen?
Wer ist der richtige Ansprechpartner bei Problemen?
Gibt es Probleme mit der Lieferung der Stoma-Produkte und lassen sie sich nach Rücksprache mit dem Versorger nicht aus der Welt schaffen, dann ist die Krankenkasse der richtige Ansprechpartner. Und auch in der Pflicht, für eine Lösung zu sorgen. Obwohl Stomaträger:innen ihre Stomaversorgung im Sanitätshaus abholen oder nach Hause geliefert bekommen, sind sie eigentlich keine Kunden der Versorger. Wie alle Versicherten sind sie Kunden ihrer Krankenkasse. Deshalb gilt: funktioniert die Versorgung nicht zufriedenstellend, ist die Krankenkasse der richtige Ansprechpartner für Beschwerden.
Klappt das alles nicht, kann man notfalls die Kasse wechseln (siehe auch Anmerkung unten).
Muss ich selbst zahlen, wenn ich mehr Stoma-Produkte benötige als andere Stomaträger?
Nein. Liegt der individuelle Versorgungsbedarf über dem Durchschnitt des “Muster-Patienten” und der Versorger stellt eine zusätzliche Rechnung (= wirtschaftliche Aufzahlung) oder will die benötigte Stückzahl nicht liefern, reicht es meist aus, wenn eine ärztliche Bescheinigung mit entsprechender Begründung bei der Kasse vorgelegt wird. Denn die Stomaträger in Deutschland haben einen Anspruch auf alle tatsächlich benötigten Stoma-Produkte.
Die mit den Krankenkassen vereinbarten Pauschalen sind keine "Kopfpauschalen", gelten also nicht für den einzelnen Stomaträger. Der Versorger finanziert die Stomaversorgung für alle von ihm betreuten Stomaträger:innen über eine Mischkalkulation, also aus der Summe aller Pauschalen, die er von unterschiedlichen Krankenkassen erhält. So ist sichergestellt, dass auch diejenigen Stomaträger ihre Stomaversorgung ohne eine wirtschaftliche Aufzahlung erhalten, die tatsächlich mehr Stoma-Produkte benötigen als andere.
Muss ich meine Stomaversorgung ändern, obwohl ich das gar nicht möchte?
Ja, solche Situationen kann es geben. Etwa wenn weiterentwickelte Stoma-Produkte zur Verfügung stehen und das „alte Modell“ nicht mehr hergestellt wird. Dann muss zwangsläufig auf ein anderes Stoma-Produkt gewechselt werden.
Grundsätzlich ist das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten (§12 (1) SGB V ). Kommen in einer individuellen Situation mehrere Stomaprodukte in Frage, ist die wirtschaftlichste Versorgung zu wählen. Das heißt nicht nur, dass die kostengünstigere Variante gewählt werden soll, sondern auch dass die Krankenkassen lediglich eine grundsätzlich ausreichende Stomaversorgung sicherstellen muss. Wer bei einem Ileostoma bisher z.B. geschlossene Beutel verwendet, was den Verbrauch von mehreren Stomabeutel pro Tag bedeutet, kann mit Ausstreifbeuteln ebenso gut, aber deutlich wirtschaftlicher versorgt werden, da sie nur einmal am Tag gewechselt werden müssen.
Welche zusätzlichen Produkte zur Stomaversorgung zahlt die Krankenkasse?
Welche sonstigen Hilfsmittel bei der Stomaversorgung (ergänzend zu den oben genannten) von der Kasse zu übernehmen sind hängt von der individuellen Situation und den Verträgen der Krankenkassen ab. Manche Kassen übernehmen die Kosten für Kompressen, für Pflasterlöser, etc., andere weigern sich.
Können nur die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Produkte zur Stomaversorgung vom Arzt verschrieben werden?
Um Irrtümer auszuräumen: Stoma-Produkte brauchen keine Hilfsmittelnummer, auch wenn das bei vielen Produkten der Fall ist. Das Hilfsmittelverzeichnis ist nur eine Arbeitshilfe für die Krankenkassen, aber keine ausschließliche Liste von zugelassenen Hilfsmitteln. (Das wurde schon oft so vom BSG so entschieden.) Auch eine Pharmazentralnummer (PZN) auf der Packung ist keine Qualifizierung oder Zulassung, sondern ebenso nur eine Nummerierung wie die Artikelnummer des Herstellers – nur eben für Apotheken und manche anderen Versorger.
Anmerkung zu einem möglichen Kassenwechsel
Während früher Menschen mit einer chronischen Krankheit und/oder Behinderung bei den Krankenkassen äußerst ungeliebt waren, hat sich das seit Inkrafttreten des Gesundheitsfonds geändert. Den Kassen fließt für sie aus dem großen Gesundheitstopf erheblich mehr zu als für ihre gesunden Mitglieder.
Krankenkassen dürfen einen Antrag auf Mitgliedschaft auch nicht ablehnen. Dass auch deren Kapazität schon einmal kurzfristig überfordert sein kann, wie im Mai 2011 als wegen der Insolvenz der City BKK allein in Berlin 80.000 vorwiegend ältere Menschen Schwierigkeiten hatten eine neue Krankenkasse zu finden, ist nur eine kurzzeitige Ausnahme und sollte niemanden abschrecken.
Stomaträger:innen sind Kunden ihrer Krankenkasse und wenn sie mit der Leistung der Kasse oder der Leistung der Vertragspartner ihrer Krankenkasse nicht zufrieden sind, steht es ihnen frei zu einer anderen Kasse zu wechseln. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber ausdrücklich geschaffen. Nachteile entstehen dabei nicht, die Kosten für notwendige Behandlungen, Medikamente, Hilfsmittel usw. werden von allen Krankenkassen übernommen.