Im September dieses Jahres berichtete die Bild in einem Artikel über den in Deutschland erstmaligen Einsatz eines Analbandes an einem Colostoma. Zugegeben, wir waren sehr skeptisch als uns ein Mitglied des Stoma-Forums darauf aufmerksam machte. Aber als wir den Namen der federführenden Chirurgin erfuhren, wurden wir neugierig.

Frau Prof. Möslein und ihr Chirurgen-Team des St. Josefs-Hospitals in Bochum-Linden sind erfahren in der Anlage von Stomata. Sie wissen: für eine möglichst hohe Lebensqualität muss ein Stoma zuverlässig und einfach zu versorgen sein. Aber auch wenn ein Darmstoma optimal angelegt wurde, ist es doch für einige Stomaträger schwer zu akzeptieren, dass sie die Kontrolle über ihre Körperausscheidungen verloren haben.

Diese Situation beobachtete Frau Prof. Möslein in der Nachsorge einiger ihrer Patienten. Auf der Suche nach einer Lösung stützte sie sich auf die bestehenden Erfahrungen mit einem kommerziell schon seit langem auf dem Markt erhältlichen kontinenten Analbandsystem. Dieses ist gut erprobt für einen Ersatz am natürlichen Darmausgang. In anderen Ländern wurde es bereits für ein Stoma eingesetzt, in Deutschland bisher noch nicht. Das Band wird so unter der Haut um das Stoma gelegt, das es ähnlich wie ein Muskel die Stomaöffnung verschließt. Zum Verschließen wird ein an diesem Band befestigtes Schlauchsystem mit einem Ventil (und Portsystem zur Regulierung) mit Flüssigkeit gefüllt. Auf "Knopfdruck" entweicht die Flüssigkeit aus dem Schlauch, die Stomaöffnung weitet sich und der Stuhl kann kontrolliert ausgeschieden werden.

Wir haben mit Frau Prof. Möslein und Herrn Komorowski, einem ihrer Patienten, über das neue OP-Verfahren gesprochen.

Stoma-Welt.de: Frau Prof. Möslein, wie kamen sie auf die Idee ein Analband bei einem Stoma einzusetzen

Frau Prof. Möslein: Das Analband ist eine gut etablierte und auch gut funktionierende Methode für Patienten mit einer schweren Inkontinenz am Schließmuskel. Dieses OP- Verfahren hat mich schon lange beschäftigt. Aber ehrlicherweise hat mich Herr Arnold, der erste Patient der nach dem neuen Verfahren operiert wurde, mit seinen Problemen darauf gebracht es für das Stoma anzuwenden. Es geschah in dem Bemühen, für seine ganz persönliche Situation eine Lösung zu finden.

Stoma-Welt.de: Wie oft wurde die OP bereits erfolgreich durchgeführt?

Frau Prof. Möslein: Die Operation wurde an unserem Hause am Stoma bisher drei Mal durchgeführt. Es waren sehr individuelle Entscheidungen der Patienten, die uns diesen Weg gehen ließen. Patienten, die mit dem Stoma aus unterschiedlichen Gründen nicht zu recht kommen.

Stoma-Welt.de: Nicht für jeden Stomaträger kommt der Einsatz des Analbands in Frage. Wann ist der Einsatz ihres Operationsverfahrens sinnvoll?

Frau Prof. Möslein: Es ist nicht das Ziel bei jedem Stomaträger ein Analband einsetzen zu wollen. Das Analband kann eine individuelle Lösung bei einen Dickdarmstoma sein. Bei einem Dünndarmstoma ist die Abdichtung des Analbands schwierig, da der Dünndarmstuhl wesentlich flüssiger ist als die Ausscheidungen des Dickdarms. Man muss verstehen, dass das Analband wirklich wie ein Ring um den Darm unter die Haut gelegt wird. Wenn man dieses sehr weiche Band zu fest zurrt, so könnte es zu Durchblutungsstörungen des Darmes mit entsprechenden schwerwiegenden Folgen kommen. Aus diesem Grund sind wir sehr vorsichtig und tasten uns an die optimale Füllmenge des Analbandsystems heran.

Bei Patienten mit einem Dickdarmstoma bringt oft die Irrigation sehr viel mehr an Lebensqualität, d.h. wenn der Darm einmal am Tag sauber gespült wird, dann kommen manche Patienten auch ohne Analband und ohne Beutel für viele Stunden aus. Zusätzlich kann man in Situationen, in denen man nahrungsbedingt weiß, dass man einen dünnflüssigeren Stuhl haben wird, auch stuhleindickende Medikamente einnehmen.

Manche Patienten, die sich jetzt für das Analband interessieren, haben letztendlich ein falsch angelegtes Stoma oder einen Bruch um das Stoma herum, was ursächlich dafür verantwortlich ist, dass sie mit dem Stoma nicht klar kommen. Hier kann man oft durch ganz andere Maßnahmen weit vor einem Analband eine deutliche Besserung der körperlichen Situation und Stomafunktion herbeiführen.

Stoma-Welt.de: Herr Komorowski, welche Probleme hatten sie mit ihrem Colostoma im Alltag?

Herr Komorowski: Bei normaler Verdauung kam es zu ständigen Ausscheidungen, eine Kontrolle war nicht möglich. Ständig füllte sich der Beutel und ich musste ihn mehrmals am Tag wechseln. Auch nachts, dadurch konnte ich nicht mehr durchschlafen.

Stoma-Welt.de: Wie versorgen sie ihr Colostoma heute?

Herr Komoroswki: Ich irrigiere, das heißt ich spüle den Dickdarm einmal täglich damit er sich vollständig entleert. Das dauert ca. eine Stunde. Der Darm ist dann in Abhängigkeit von den Mahlzeiten 24 Stunden leer. Durch das Analband benötige ich keinen Beutel mehr, sondern nur noch ein Pflaster über dem Stoma.

Der Darm wird durch das Analband nicht vollständig verschlossen, Luft muss entweichen können. Bei Winden/Luft kann in Abhängigkeit vom Essen und Trinken minimal Flüssigkeit austreten. Zum Beispiel nach Wasser mit Kohlensäure, Kohl oder Bier. Deshalb nehme ich wenn nötig zusätzlich ein Medikament gegen Durchfall um den Stuhl einzudicken.

Stoma-Welt.de: Hat sich ihr Leben durch das Analband verändert?

Herr Komoroswki: Durch das Band bin ich mobiler und bin nicht auf der ständigen Suche nach einer Toilette. Das ist für alle nervig, besonders im Ausland und unterwegs auf der Autobahn. Ich musste an jeder Raststätte halten. Jetzt kann ich die Ausscheidungen kontrollieren und ich benötige weniger Versorgungsmittel. Da ich das Stoma nur noch mit einem Pflaster abdecke, fühle ich mich z.B. beim Baden am Strand wieder wie ein normaler Bürger, selbst FKK ist möglich. Seit vielen Jahren habe ich ein Konzertanrecht in Essen, jetzt bin ich während der Konzerte viel entspannter. Durch das Pflaster kann ich eine Hose mit Gürtel, ohne Hosenträger tragen. Und als letzteres und sehr wichtiges: das Miteinander mit dem Partner. Ein Pflaster stört nicht, aber ein Beutel der sich jeden Moment füllen kann doch sehr.

Stoma-Welt.de: Frau Prof. Möslein, welche Risiken sind mit der Implantation des Analbands am Stoma verbunden?

Frau Prof. Möslein: Das Analband für das Stoma wird an der Körperfläche, d.h. im Unterhautfettgewebe eingebracht. Somit ist das Risiko einer Verletzung von Gefäßen oder Organen praktisch ausgeschlossen. Allerdings besteht das Analbandsystem -mit denen damit verbundenen Schläuchen, dem Port und dem Ventil- aus viel Fremdmaterial. Man muss also bei der Operation unbedingt hochsteril arbeiten, um das Infektrisiko möglichst gering zu halten. Dennoch ist auch bei penibelsten Arbeiten ein Infektionsrisiko vorhanden und dieses ist sicherlich die wesentliche Komplikation bei der Anlage eines Analbandes.

Stoma-Welt.de: Frau Prof. Möslein, Herr Komorowski, vielen Dank das sie sich Zeit für unserer Fragen genommen haben.

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