Stomaversorgung 2016 – Rechtslage und Anspruch
Stomaprodukte und deren Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen
Egal ob einteilige oder zweiteilige Versorgung, Beutel, Platten, Paste, Ringe und sonstiges Zubehör, immer sind es “zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel” auf die ein Anspruch als Sachleistung besteht (§ 33 SGB V).
Sachleistung bedeutet, dass Stomaträger keine Rechnung über die gelieferten Hilfsmittel erhalten. Der so genannte Leistungserbringer, das Sanitätshaus oder HomeCare-Unternehmen, liefert im Auftrag der Krankenkasse und rechnet auch mit ihr ab. Die benötigten Hilfsmittel werden direkt von der Krankenkasse bezahlt, Stomaträger müssen nur die gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung von 10 Euro im Monat leisten.
Aktuell gibt es zwei Möglichkeiten der Versorgung von Stomaträgern zu Lasten der Krankenkassen:
- Die Auslieferung nach ärztlicher Verordnung und Abrechnung zu Festbeträgen. D. h. jeder Stoma-Beutel und jede Basisplatte hat einen festgelegten Preis und allen Leistungserbringern wird der gleiche Festpreis erstattet. Vor 2010 war das der übliche Weg, heute ist es eher der Sonderfall.
- Fast alle der 118 gesetzlichen Krankenkassen haben in den vergangenen Jahren Pauschalverträge ausgehandelt, bei denen auf Grund von Durchschnittswerten (Mengen) ein “Standard- oder Muster-Patient” errechnet wird, der den Betrag von …EUR/Monat kostet. Die Monats-Pauschalen sind unterschiedlich hoch, je nach Verhandlungsgeschick der Partner, regionalem Wettbewerb usw. und liegen im Moment im Durchschnitt bei ca. 200 Euro. Die monatliche Pauschale erstattet die Kasse dem Versorger pro Stomaträger.
Eine weitere Möglichkeit ist die Versorgung und Abrechnung über Monatspauschalen, deren Höhe über eine Ausschreibung festgelegt wurde. Dabei wird die Versorgung exklusiv an denjenigen Leistungserbringer vergeben, der die niedrigste Pauschale angeboten hat. Im Bereich der Inkontinenz-Versorgung sind Ausschreibung schon länger üblich und haben zu deutlich niedrigeren Monatspauschalen, aber auch zu Einschränkungen in der Qualität der gelieferten Inkontinenz-Hilfsmitteln und zu Einschränkungen im Service geführt. Im April 2016 kündigte die Kaufmännische Krankenkasse KKH an, als erste Krankenkasse die bei ihr versicherten Stomaträger auf diesem Weg zu versorgen.
Das Hilfsmittel-Wahlrecht
Der Hausarzt stellt eine Hilfsmittel-Verordnung aus (= Rezept), die beim Leistungserbringer eingereicht wird. Welche Stoma-Artikel letztendlich geliefert werden, entscheiden Stomaträger und Leistungserbringer gemeinsam. Dabei haben Stomaträger einen Anspruch auf eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittel-Versorgung (§12 (1) SGB V) und damit Anspruch auf die Stoma-Artikel, die sie zur individuellen Versorgung tatsächlich benötigen. Dabei können weder Krankenkasse noch MDK oder Leistungserbringer eine spezielle Marke oder ein spezielles Produkt einseitig vorschreiben. Dieser Anspruch auf die individuell ausgesuchte Hilfsmittel-Versorgung wurde vom Bundessozialgericht schon mehrfach bestätigt.
Mengenempfehlungen und „wirtschaftliche Aufzahlung“
Die tatsächlich benötigte Menge an Stoma-Artikeln hängt ebenfalls von der individuellen Situation ab. Die Durchschnittsmengen, die auch den Monats-Pauschalen zu Grunde liegen, wurden im Auftrag der Krankenkassen vom MDK ermittelt. Damit wurde der Bedarf des “Muster-Patienten” festgestellt, als Grundlage für die Preiskalkulation der Leistungserbringer. Für einen höheren Bedarf darf kein Aufschlag verlangt werden. Für einen niedrigeren Bedarf gibt es ja auch keinen Rabatt. Sogenannte “wirtschaftliche Aufzahlungen” für Stoma-Artikel im Rahmen der Hilfsmittel-Versorgung sind nicht erlaubt.
Wahl des Leistungserbringers
Die Versorgung mit Stoma-Artikeln ist grundsätzlich nur durch die Vertragspartner der Krankenkassen möglich. Verträge werden vor allem Sanitätshäusern und HomeCare-Unternehmen abgeschlossen.
Die Krankenkasse gibt Auskunft über die Vertragspartner. Unter den Vertragspartnern können Stomaträger ihren Versorger (Leistungserbringer) frei auswählen. Dabei ist es auch kein Problem, wenn keiner der Vertragspartner in direkter Nähe des eigenen Wohnorts beheimatet ist, da die Stoma-Artikel nicht abgeholt werden müssen, sondern nach dem Sachleistungsprinzip frei Haus zu liefern sind.
Was tun bei Problemen?
Behauptet der Versorger, eine bestimmte Menge oder eine bestimme Marke könnte oder dürfte nicht geliefert werden: an die Kasse wenden und eventuell den Versorger wechseln.
Obwohl Stomaträger ihre Stomaversorgung im Sanitätshaus abholen oder nach Hause geliefert bekommen, sind sie eigentlich keine Kunden der Leistungserbringer. Wie alle Versicherten sind sie Kunden ihrer Krankenkasse. Funktioniert die Versorgung durch den Leistungserbringer nicht zufriedenstellend, ist die Krankenkasse der richtige Ansprechpartner für Beschwerden.
Liegt der individuelle Versorgungsbedarf erheblich über dem Durchschnitt des “Muster-Patienten” und der Versorger verlangt eine zusätzliche Zuzahlung (wirtschaftliche Aufzahlung) oder will die benötigte Stückzahl nicht liefern, reicht es aus, wenn eine ärztliche Bescheinigung mit entsprechender Begründung bei der Kasse vorgelegt wird.
Allerdings wird es auch den einen oder anderen Fall geben, bei dem eine Änderung trotzdem ansteht. Etwa weil weiter entwickelte Folgeprodukte zur Verfügung stehen und das „alte Modell“ nicht mehr hergestellt wird. Oder weil eine „Überversorgung“ vorliegt. Wer bei einem Ileostoma bisher z.B. geschlossene Beutel verwendet, kann mit Ausstreifbeuteln ebenso gut, aber erheblich kostengünstiger versorgt werden.
Was aber, wenn ein Versorger nicht liefern kann oder will? Liegt es am Versorger, der z. B. bei einem überdurchschnittlich hohen Bedarf und nur wenigen Stomakunden das nicht im Rahmen seiner Mischkalkulation über die anderen Kunden ausgleichen kann, ist zu prüfen, ob ein anderer Vertragspartner der Krankenkasse die Lieferung vornimmt. Klappt das auch nicht, kann man notfalls die Kasse wechseln (siehe auch Anmerkung unten).
Welche sonstigen Hilfsmittel bei der Stoma-Versorgung (ergänzend zu den oben genannten) von der Kasse zu übernehmen sind hängt von der individuellen Situation ab. Dazu ist dann aber meist eine individuelle ärztliche Bescheinigung erforderlich. Manche Kassen übernehmen die Kosten für Kompressen, für Pflasterlöser, etc., andere weigern sich.
Um Irrtümer auszuräumen: Stoma-Produkte brauchen keine Hilfsmittelnummer, auch wenn das bei vielen Produkten der Fall ist. Das Hilfsmittelverzeichnis ist nur eine Arbeitshilfe für die Krankenkassen, aber keine ausschließliche Liste von zugelassenen Hilfsmitteln. (Das wurde schon oft so vom BSG so entschieden.) Auch eine Pharmazentralnummer (PZN) auf der Packung ist keine Qualifizierung oder Zulassung, sondern ebenso nur eine Nummerierung wie die Artikelnummer des Herstellers – nur eben für Apotheken und manche andere Versorger.
Anmerkung zu einem möglichen Kassenwechsel
Während früher Menschen mit einer chronischen Krankheit und/oder Behinderung bei den Krankenkassen äußerst ungeliebt waren, hat sich das seit Inkrafttreten des Gesundheitsfonds geändert. Den Kassen fließt für sie aus dem großen Gesundheitstopf erheblich mehr zu als für ihre gesunden Mitglieder.
Krankenkassen dürfen einen Antrag auf Mitgliedschaft auch nicht ablehnen. Dass auch deren Kapazität schon einmal kurzfristig überfordert sein kann, wie im Mai 2011 als wegen der Insolvenz der City BKK alleine in Berlin 80.000 vorwiegend ältere Menschen Schwierigkeiten hatten eine neue Krankenkasse zu finden, ist nur eine kurzzeitige Ausnahme und sollte niemanden abschrecken.
Stomaträger sind Kunden ihrer Krankenkasse und wenn sie mit der Leistung der Kasse oder der Leistung der Vertragspartner ihrer Krankenkasse nicht zufrieden sind, steht es ihnen frei zu einer anderen Kasse zu wechseln. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber ausdrücklich geschaffen. Nachteile entstehen dabei nicht, die Kosten für notwendige Behandlungen, Medikamente, Hilfsmittel usw. werden von allen Krankenkassen übernommen.
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· Autor: HM · letzte Aktualisierung am 08. Mai 2016