Position: Ausschreibungen in der Hilfsmittelversorgung

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21.04.2024

Ausschreibungen waren in den letzten Monaten immer mal wieder Thema von Stellungnahmen und Diskussionen. Einzelne Krankenkassen sehen Ausschreibungen noch immer als guten Weg um Verträge zur Hilfsmittelversorgung abzuschließen und plädierten in den letzten Monaten für ihre Wiedereinführung. Sie wurden 2019 gesetzlich untersagt, nachdem sich die Versorgungsqualität in einigen Hilfsmittelbereichen nach Ausschreibungen deutlich verschlechtert hatte. 

Verbände von Leistungserbringern und Hilfsmittel-Herstellern positionierten sich in Stellungnahmen gegen die Wiedereinführung von Ausschreibungen. Auch die Selbsthilfe Stoma-Welt e.V. ist gegen Ausschreibungen, und das aus guten Gründen.

Es geht um unsere Lebensqualität

Wir Stomaträger und Stomaträgerinnen sind rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche, auf eine zuverlässige Hilfsmittel-Versorgung angewiesen. Die Stoma-Hilfsmittel gleichen unsere Behinderung, den „künstlichen Darmausgang“, aus. Und ermöglichen uns überhaupt erst ein lebenswertes Leben und gesellschaftliche Teilhabe.

Die Hilfsmittel-Versorgung und die damit verbundene Betreuung durch Pflegefachkräfte ist für Stomaträger und Stomaträgerinnen eine sehr sensible Angelegenheit. Für viele von uns war es ein langer und steiniger Weg, bis wir die individuell passende und zuverlässige Hilfsmittel-Versorgung gefunden haben.

Ausschreibungen als Weg zum Abschluss von Versorgungsverträgen mit Leistungserbringern gefährden die Lebensqualität der betroffenen Versicherten einer Krankenkasse. Und es sind noch immer dieselben Gründe wie schon vor sechs Jahren, aus denen sich die Selbsthilfe Stoma-Welt e.V. gegen die Wiedereinführung von Hilfsmittel-Ausschreibungen durch die gesetzlichen Krankenkassen stellt:

Einschränkung des Wahlrechts

Ausschreibungen haben i.d.R. nur einen Gewinner. Eine Ausschreibung an mehrere, z.B. an bis zu drei Anbieter zu vergeben, ist nur ein Feigenblatt, ein Pseudo-Wahlrecht für die Versicherten einer Krankenkasse. Mit Ausschreibungen ist für Stomaträgerinnen und Stomaträger fast immer ein erzwungener Wechsel des Leistungserbringers verbunden und immer eine Abhängigkeit von der Versorgungsqualität eines einzigen oder sehr weniger Anbieter.

Die Qualität der Hilfsmittel-Versorgung wird absehbar schlechter

Eine Ausschreibung gewinnt der Anbieter mit dem niedrigsten Preis, also der niedrigsten monatlichen Erstattungs-Pauschale. Das hat z.B. in der Vergangenheit für viele Menschen mit einer Inkontinenz dazu geführt, dass sie ihre Hilfsmittel nicht mehr in der Qualität erhalten, die ihnen eine gute Lebensqualität garantiert. Oder sie müssen aus eigener Tasche aufzahlen, wenn sie die gewohnten und individuell passenden Hilfsmittel weiter erhalten wollen. Den Weg in eine 2-Klassen-Versorgung, in denen nur noch diejenigen Stomaträgerinnen und Stomaträger eine gute Lebensqualität haben, die es sich finanziell leisten können, werden wir nicht akzeptieren.

Stomaträger sind auf die Betreuung durch Pflegefachkräfte angewiesen

Und das nicht nur in den ersten Tagen nach der Operation, sondern ein ganzes „Stoma-Leben“ lang. Stoma-Komplikationen (Hautentzündungen, Hernien usw.), veränderte Lebensumstände und die damit verbundenen Anpassungen der Stoma-Versorgung sind nur zwei von vielen Gründen, die eine Betreuung durch qualifizierte Pflegekräfte unverzichtbar machen. Werden die monatlichen Vergütungspauschalen durch Ausschreibungen schnell und deutlich reduziert, fällt zuerst diese wichtige Versorgungsaufgabe ersatzlos weg, da sie heute über die Hilfsmittel-Abgabe mitfinanziert werden.

 

Wir sind offen für Diskussionen und Vorschläge, wie wir im Gesamt-System eine Versorgung der Betroffenen sicherstellen können, die eine gute Lebensqualität und Teilhabe gewährleistet. Aber eine Wiedereinführung von Hilfsmittel-Ausschreibungen ist für uns der falsche Weg.